Fachbeitrag

Umfassende Sanierung des Kleinwasserkraftwerks Sigismühle

Am 1. Januar 2011 trat das revidierte Gewässerschutzgesetz (GschG) als Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Lebendiges Wasser» in Kraft. Es verlangt die Verringerung der negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung und ermächtigt die Kantone zur Verfügung von Sanierungsmassnahmen. Im Falle des KW Sigismühle am Aabach in der Gemeinde Seon war somit der Kanton Aargau zuständig.

Ausgangslage

Der Aabach entspringt dem Baldeggersee, speist anschliessend den Hallwilersee und mündet nach einer Reise von 27 km bei Wildegg in die Aare. Dank der beiden Seen ist die Wasserführung ausgeglichen, wodurch der Aabach seit alters gerne genutzt wird: Entlang des Baches waren einst 26 Betriebe, die das Wasser nutzten, heute sind es noch 7, einer davon ist das Ausleitungskraftwerk «Sigismühle».

Seine Geschichte reicht mindestens bis zum Anfang des vorletzten Jahrhunderts zurück. Zuerst diente die Energie des Aabachs mit zwei Wasserrädern zur Papierherstellung. Mit dem Einbau einer Francis-Doppel-Spiralturbine erfolgte 1913 der Übergang zur Stromproduktion und es wurden bis Ende der 60er-Jahre Textilabfälle verarbeitet. Im Jahre 1994 erfuhr das Kraftwerk seine letzte grosse Veränderung: Es wurde eine neue Kegelrad-Rohrturbine mit einem Laufraddurchmesser von 800 mm eingebaut. Die Anlage fand Aufnahme in das damalige Vergütungssystem der Mehrkostenfinanzierung MKF (so genannter «16-Räppler») und erhielt eine Konzession für 80 Jahre, welche die Bruttofallhöhe von 9,54 m und die Restwasserabgabe von 440 l/s festschreibt.

Planung gewässerökologische Sanierung

Mit der Revision des Gewässerschutzgesetzes musste auch das KW Sigismühle saniert werden. Der fehlende Fischabstieg bei der Wasserfassung und die Fischgängigkeit im Ober- und Unterwasserkanal waren nicht mehr gesetzeskonform. In beide Kanäle konnten die Fische einschwimmen, befanden sich dort aber in einer Sackgasse. Im Oberwasserkanal war zudem die Anströmgeschwindigkeit zu hoch und der Rechen mit < 20 mm zu weit, um ein Eindringen von Fischen in die Turbine zu verhindern. Somit trat der Kanton im Jahre 2017 an den Kraftwerkbetreiber Benno Döbeli mit der Auflage heran, diese Mängel gemäss den entsprechenden Gesetzesvorgaben zu beseitigen. Einerseits wurde ein Fischabstieg bei der Wasserfassung erforderlich und andererseits waren die Kanäle für die Fische eine Sackgasse.

Das Bundesamt für Umwelt BAFU verlangte für den Ober- und Unterwasserkanal jeweils drei Variantenstudien. Diese wurden von der Hydro-Solar Water Engineering AG erarbeitet, gemeinsam mit dem Kraftwerkbetreiber und dem Kanton beschlossen und dem BAFU zur Prüfung vorgelegt. Rasch wurde klar, dass die beste Variante darin besteht, den Zugang der Fische zu den Kanälen zu verhindern. Andernfalls hätte ein Umgehungsgerinne der Zentrale erstellt werden müssen, was wegen der dichten Bebauung schwierig gewesen wäre.

Betonierung des neuen Gerinnes für den
Unterwasserkanal.
Samuel Vögtli

Der neue Unterwasserkanal ist so ausgeklügelt
gestaltet, dass kein Fisch hineinschwimmen kann.
Samuel Vögtli

Umsetzung

Wasserfassung
Vor der Sanierung bestand die Wasserfassung im Wesentlichen aus einem luftgefüllten Schlauchwehr und dem Einlauf in den Oberwasserkanal am linken Ufer. Am rechten Ufer wurde 1994 ein Fischaufstieg in naturnaher Form als Fischbach mit 8 Becken zur Überwindung des Höhenunterschieds von rund 1,35 m zwischen Staubereich und Restwasserstrecke angelegt. Dieser Aufstieg erfüllte auch die Anforderungen des neuen Gewässerschutzgesetzes und bedurfte somit keiner Änderung.

Weil der bestehende Fischbach aber «nur» als Fischaufstieg zählt, musste zusätzlich ein Fischabstieg erstellt werden. Dieser wurde zwischen dem Einlauf des Oberwasserkanals und dem Schlauchwehr angelegt: Es wurde eine Stauklappe aus Stahl mit einer Aussparung in der Krone eingebaut, so dass ein Wasserstrahl für bachabwärts reisende Fische gebildet wird. Die Stauklappe erleichtert zudem die Einhaltung des Stauziels und verbessert deutlich die Ableitung von Geschwemmsel und Geschiebe aus dem Staubereich in die Restwasserstrecke. Der Einbau der Klappe erforderte jedoch einen Trennpfeiler und somit eine Verkürzung des vorhandenen Schlauchwehrs. Die Membran des Schlauchwehrs hätte auch nach 30 Jahren wiederverwendet werden können, wurde bei der Gelegenheit aber erneuert. Herr Döbeli entschied sich für das gleiche Wehrsystem, weil sich das bisherige so gut bewährt habe.

Besonders viel Aufmerksamkeit wurde der Neugestaltung des Einlaufs geschenkt, um das Eindringen von Fischen in die Sackgasse des Oberwasserkanals zu verhindern. Darum wurde dort ein Horizontalrechen mit einem lichten Stababstand von lediglich 15 mm eingebaut. Hinter dem Rechen befindet sich ein Tafelschütz für die Zuflussregulierung. Mit der Umsetzung dieser Variante wurde der rund 400 m lange Oberwasserkanal fischfrei und enthält durch den Feinrechen auch deutlich weniger Geschiebe. Dies ist eine wertvolle Verbesserung, denn vor der Sanierung musste eingedrungenes Geschiebe direkt vor dem Turbineneinlauf entfernt werden. Das Geschiebe, das sich nun vor dem Rechen der Wasserfassung ansammelt, wird mittels der vorgelagerten Spülrinne und Öffnung in der Stauklappe in die Restwasserstrecke weitergeleitet werden. Ein Rechenschieber reinigt zudem den Rechen von allfälligem Geschwemmsel. Herr Döbeli zeigt sich mit dieser Umsetzung zufrieden.

Das Schlauchwehr, die Stauklappe und der Einlaufschütz sind zu einer funktionalen Einheit verbunden und werden automatisch oder manuell gesteuert. Für den Betrieb dieser grösseren Anlage musste ein neues, leistungsfähigeres Stromkabel von der Zentrale zur Wasserfassung verlegt werden.

Wasserrückgabe
Im Unterwasserkanal wurde eine andere  ichtmechanische  ösung realisiert. Dort behindert eine innovative Gestaltung des Gerinnes den Zugang von Wasserlebewesen: Einerseits werden die Fische vor dem Eingang in den Unterwasserkanal durch geschickte Strömungsführung ins Bachbett geleitet. Andererseits ist der Unterwasserkanal so konstruiert, dass bei geringem Durchfluss der Wasserpegel zu niedrig oder bei hohem Durchfluss die Wassergeschwindigkeit zu hoch für das Hinaufschwimmen von Fischen ist. Dieser Effekt tritt auf, weil die letzten 60 m des Unterwasserkanals als 3 m breites offenes Rechteckgerinne mit glatter Oberfläche und einem konstanten Gefälle von etwa > 1 % ausgeführt sind. Diese Konzeption zeigt sich sehr wirkungsvoll und Herr Döbeli erklärt, dass er bisher noch nie einen Fisch im Unterwasserkanal gesehen habe. Auch die zuständige Behörde ist mit dieser Lösung zufrieden.

Sanierung Zentrale

Nebst der Fischgängigkeit wurden auch die Turbine und der Generator des Kraftwerks einer gründlichen Revision unterzogen, zusätzlich wurde die komplette Steuerung erneuert. Die Stilllegung der Anlage bot eine gute Gelegenheit zur Ausführung dieser notwendigen Arbeiten. Schliesslich wurden auch der Oberwasserkanal und eine Brücke saniert.

Die Bauarbeiten, inklusive Aufforstung, Installation der Technik und Metallbauarbeiten dauerten von Juni bis November 2022.

Diese Aufnahme zeigt eindrücklich, dass der Ersatz der alten Turbinenschaufeln bitter nötig war.
Samuel Vögtli

Vollständig erneuerte Turbine nach Werksmontage vor Auslieferung. Die Arbeiten wurden von der Kochendörfer Wasserkraftanlagen Turbinen-Maschinenbau e. K. ausgeführt.
Kochendörfer Wasserkraftanlagen

Die generalüberholte Kegelrad-Rohrturbine erstrahlt in neuem Glanz. Die Revision des Generators wurde von der Birr Machines AG ausgeführt.
Samuel Vögtli

Finanzielles

Die gesamten Aufwände, welche zur Sanierung der Fischgängigkeit anfielen, wurden vom BAFU übernommen. Zusätzlich entschädigte das BAFU die Verluste, welche durch die Unterbrechung der Stromproduktion wegen der ökologischen Sanierung entstanden. Das heisst, während der gleichzeitig vorgenommenen Maschinenrevision, wurden keine Entschädigungen geleistet. Allgemein fielen die Verluste allerdings wegen der anhaltenden Trockenheit gering aus. Die Trockenheit war ausnahmsweise sogar willkommen, denn sie erleichterte die Arbeiten im Wasser erheblich. Insgesamt kostete die gewässerökologische Sanierung rund 1,3 Millionen Franken. Das Geld wurde in drei Tranchen ausbezahlt, so dass die Kraftwerksbetreiber nicht die gesamte Sanierung vorfinanzieren mussten. Die Umsetzung erforderte jedoch noch eine Vorfinanzierung von mehreren hunderttausend Franken. Deshalb empfiehlt Herr Döbeli den Kraftwerksbetreibern, die eine Sanierung noch vor sich haben, in der Planung etliche Teilschritte einzuplanen, um mehrere, aber kleinere Akontozahlungen zu erhalten. So kann die Belastung durch die Vorfinanzierung geringer gehalten werden. Ausserdem gilt zu beachten, dass die Verwendung von öffentlichen Geldern an weitere Bedingungen geknüpft sein kann, wie z.B. die Einholung mehrerer Angebote und keine freie Auftragsvergabe ab einem bestimmten Auftragsvolumen. Dies wurde auch bei der Sanierung des Kraftwerks Sigismühle gemacht.

Bilanz

Benno Döbeli zieht eine grundsätzlich positive Bilanz der Umsetzung und betont die gute Zusammenarbeit mit dem Kanton und dem BAFU. Die Behörden gaben ein Zeitfenster von Juli bis Ende Oktober vor, das bis auf wenige Tage eingehalten werden konnte. Die beantragte Verlängerung wurde zügig bewilligt. Hingegen stellten sich die Auflagen zur Renaturierung und Aufforstung als grosser bürokratischer Aufwand heraus – durch die Sanierungsarbeiten mussten einige Bäume und Sträucher entlang des Ufers entfernt werden, für die an anderer Stelle ein Ausgleich zu schaffen war.

Das Kraftwerk Sigismühle ist das zweite von sieben, das am Aabach gewässerökologisch saniert worden ist. Benno Döbeli freut sich, dass die Umsetzung ohne grössere Zwischenfälle gelungen ist und wünscht den Betreibern, welche die Umsetzung noch vor sich haben, viel Erfolg.

Verfasser:
Samuel Vögtli, Praktikant Swiss Small Hydro

Mit freundlicher Unterstützung von Benno Döbeli
(Betreiber KW Sigismühle), Hydro-Solar Water Engineering AG et al.