Fachbeitrag

Small Hydro Mobility

In der Schweiz und in den meisten europäischen Ländern erweist sich die direkte Verbindung von Kleinwasserkraft und Elektromobilität im Allgemeinen als eine Win-Win-Situation. Einerseits eröffnet das Konzept Betreiberinnen von Kleinwasserkraftwerken neue finanzielle Möglichkeiten. Andererseits kann das Netz von Ladestationen durch die dezentrale Stromerzeugung in kleinen Wasserkraftwerken erweitert werden, wobei zu 100 % erneuerbarer und lokaler Strom verwendet wird. Darüber hinaus können Fahrer von Elektroautos von einem attraktiven Tarif profitieren.

Der Artikel gibt einen ersten Einstieg in Fragen, die je nach Kleinwasserkraftwerk spezifisch zu beantworten sind.

Ein Projekt im Auftrag des BFE

Die Büros Mhylab und Skat Consulting AG haben sich im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) mit dem Thema «Elektromobilität durch Wasserkraftstrom» (Small Hydro Mobility SHM) befasst. Das Projekt startete im Oktober 2021 und gliederte sich in drei Phasen:

  • In der ersten Phase wurden Bedingungen definiert, unter denen eine Verbindung zwischen Kleinwasserkraftwerken und Elektromobilität hergestellt werden kann. Schweizweit wurden so 514 Anlagen identifiziert, deren Stromproduktion gegebenenfalls für elektrische Ladestationen genutzt werden könnte.
  • Die zweite Phase war spezifischen Fallstudien gewidmet. Von den 514 Kleinwasserkraftwerken wurden zunächst 6 und final dann 4 für eine genauere Analyse ausgewählt. Die Auswahl sollte die Kleinwasserkraft in der Schweiz in ihrer Gesamtheit bestmöglich repräsentieren, und zwar im Hinblick auf Art der Eigentümerschaft, die genutzte Wasserressource (Bsp. Fliessgewässer oder Nebennutzungsanlagen) und das Interesse an der Elektromobilität.
  • Die laufende letzte Projektphase zur Kommunikation der Ergebnisse, wird im Laufe des Jahres 2024 abgeschlossen, einer der Gründe für den vorliegenden Artikel. Darüber hinaus wird das Thema auf der Fachtagung von Swiss Small Hydro am 26. April in Cham (ZG) vorgestellt. Im Ergebnis hat das SHM-Projekt gezeigt, dass die Stromproduktion für Elektromobilität für Betreiber von Kleinwasserkraftwerken wirtschaftlich interessant sein kann, insbesondere angesichts der aktuellen und voraussichtlich auch zukünftigen Preisschwankungen auf dem Strommarkt. Nachdem der Nachweis anhand von Fallbeispielen erbracht wurde, sollen nun Betreiberinnen von Kleinwasserkraftwerken für das Thema Elektromobilität und somit für ein eigenes Small-Hydro-Mobility-Projekt (im Folgenden SHM-Projekt) gewonnen werden.

Ein Imagegewinn für die Kleinwasserkraft wäre ein zusätzlicher Mehrwert des Projekts.

Wichtige Kennzahlen der Elektromobilität

Für einen Einstieg in die Elektromobilität, ist es. sinnvoll, sich zunächst mit wichtigen Kennzahlen vertraut zu machen (die folgenden Zahlen beziehen sich auf die Schweiz):

  • Durchschnittliche mit dem Auto zurückgelegte Distanz: 30 km/Tag.
  • Standard-Stromverbrauch eines E-Fahrzeugs: 18 kWh pro 100 km.
  • Batteriekapazität eines Autos: 16 bis 99 kWh, wobei als Standard hier 50 kW & 50 kWh verwendet wird, was einem Auto wie dem Renault Zoe entspricht (High-End-Autos wie das Tesla Model Y (250 kW, 60 bis 79 kWh) werden nicht als Referenz betrachtet).
  • Ladekapazitäten
    • Langsames Laden: 11 kW, 22 kW
    • Schnelles Laden: 50 kW, 100 kW, 150 kW, 300 kW

Im Hinblick auf das gewählte «Standardauto» werden Ladevorgänge mit 100, 150 und 300 kW in dieser Studie nicht betrachtet.

Ist ein Kleinwasserkraftwerk «physisch geeignet» für die Stromproduktion für Elektromobilität?

Die Antwort auf diese Frage hängt von 2 Hauptkriterien ab, nämlich dem Standort des Kleinwasserkraftwerks und seiner verfügbaren Stromproduktion.

1. Standort des Kleinwasserkraftwerks

Das Interesse der Autofahrerin hängt von der «Umgebung der Ladestation» ab. Wie in Tabelle 1 dargestellt, gibt es folgende Optionen, die auch die Art des Aufladens bestimmen:

  • Home charging –> Aufladen zu Hause
  • Work charging –> Aufladen beim Arbeitsplatz
  • Point-of-interest charging (POI) –> Aufladen in der Nähe von «interessanten Orten» (Geschäfte, Dienstleistungsbetriebe, Restaurants, Sportstätten / Fitnessstudios, Wanderparkplätze …)
  • Quick charging –> schnelles Aufladen, zum Beispiel bei einer (längeren) Reise
  • Fleet charging –> Aufladen einer Fahrzeugflotte, zum Beispiel bei Autovermietungs- oder Car-Sharing-Stationen

Tabelle 1 zeigt auch die maximal akzeptierten Entfernungen, die ein Autofahrer bereit ist zurückzulegen. Darüber hinaus wird man versuchen, eine Ladestation (egal ob vorhanden oder neu zu errichten) möglichst in der Nähe des Turbinenhauses zu wählen, um die Kosten für das erforderliche Verbindungskabel zu begrenzen. Entsprechend müssen auch Parkmöglichkeiten (vorhandene oder neu zu schaffende) berücksichtigt werden.

Wenn sich das Turbinenhaus nicht in der Nähe eines dieser «interessanten Orte» befindet, dann ist das Kleinwasserkraftwerk nicht für ein SHM-Projekt geeignet.

Tabelle 1: Standardbeschreibung der wichtigsten möglichen Stationen, in Abhängigkeit vom Interesse des Autofahrers und dem Standort der Ladestation / des Kleinwasserkraftwerks (KWK).

2. Stromerzeugungskapazität des Kleinwasserkraftwerks, die für eine Ladestation zur Verfügung steht

Hier geht es darum, wie im Diagramm in Abbildung 3 gezeigt, die zu jedem Zeitpunkt verfügbare elektrische Leistung relativ zum Aufladevorgang zu betrachten. In Übereinstimmung mit der Stromerzeugungskapazität des Kleinwasserkraftwerks müssen dann folgende Parameter definiert werden:

  • die Leistung jeder zu installierenden Ladesäule
  • die Anzahl der zu installierenden Ladesäulen
  • die Anzahl der (erforderlichen) Parkplätze
  • die Anzahl der Fahrzeuge, die an eine Ladesäule angeschlossen werden können (Anzahl der Steckdosen)
  • die (zeitliche) Verfügbarkeit der Ladesäule

Die Ermittlung bzw. Charakterisierung der (verfügbaren) Stromerzeugungskapazität eines Kleinwasserkraftwerks für eine Ladestation kann sich als komplex erweisen. Eine Möglichkeit ist, eine sogenannte «Dauerkurve» oder Kurve der klassifizierten Leistungen (nach dem Vorbild der Abflussdauerkurve) zu erstellen (siehe Abbildung 4). Je nachdem, wie stark die Leistung schwankt, können auch typische Kurven für unterschiedliche Perioden erstellt werden. Beispielsweise eine Kurve für den Winter und eine für den Sommer im Falle einer starken jahreszeitlichen Schwankung. Für andere Standorte (Bsp. Wasserkraftanlage in einer Wasserversorgungsinfrastruktur) könnte eine Dauerkurve der Leistungen an einem Standardtag relevant sein. «Dauerkurve» bedeutet, dass die y-Werte im Koordinatensystem der Grösse nachsortiert werden.

Höchste Priorität eines SHM-Projekts sollte immer sein, die Verfügbarkeit der Ladestation zu maximieren, um so möglichst viele Autofahrer an sich zu binden.

Ist ein spezifisches SHM wirtschaftlich interessant?

Wenn sich das KWK als «physisch geeignet» für ein SHM-Projekt erweist, dann sollte man sich mit den wirtschaftlichen Aspekten des Projekts beschäftigen. Folgende Aspekte sind dabei relevant:

  • Geschäftsmodell (weiter unten beschrieben).
  • Investitionen für die Erschliessung des Standorts.
  • mögliche Finanzhilfen für die Investition in Ladestationen seitens der Gemeinde oder des Kantons.

Mögliche Geschäftsmodelle für ein SHM-Projekt umfassen folgende Optionen:

  • «Privat»: Ladestation, die nur vom Betreiber des Kleinwasserkraftwerks und seinem privaten Umfeld genutzt wird.
  • «Direkt»: Ladestation gehört dem Betreiber des KWK, wird von diesem selbst betrieben und unter- halten, kann aber von jeder Autofahrerin genutzt werden.
  • CPO (Charging Point Operator): Ladestation gehört dem Betreiber des KWK, aber wird von einem externen Elektromobilitätsunternehmen betrieben; kann von jedem Autofahrer genutzt werden.
  • EMP (Electrical mobility provider): Ladestation, die einem externen Elektromobilitätsunternehmen gehört, von diesem Unternehmen betrieben wird und von jeder Autofahrerin genutzt werden kann.

Sofern es sich nicht um eine Ladestation handelt, die ausschliesslich im privaten Rahmen genutzt wird (siehe Modell «privat»), ist das «Direktmodell» nicht zu empfehlen, da in diesem Fall alleine der Betreiber des KWK für die Wartung der Ladestation, Kundenkontakt, Rechnungsstellung und Werbung verantwortlich ist.

Angesichts der vielen Unbekannten, insbesondere in Bezug auf die Anzahl der Autofahrerinnen, die die Ladestation nutzen, sollte sich die Wirtschaftlichkeitsberechnung zunächst darauf beschränken, die Anzahl der Ladevorgänge pro Tag zu ermitteln, die erforderlich wären, damit das SHM-Projekt für den Betreiber des KWK rentabel wird. Auf dieser Grundlage kann dann analysiert werden, ob die berechnete Anzahl Ladevorgänge pro Tag realistisch ist oder nicht.

Schlüsselfaktoren für den Erfolg eines SHM-Projektes

Die wichtigsten Faktoren, die als Schlüssel zum Erfolg identifiziert wurden umfassen:

  • Standort des Kraftwerks in einem Gebiet, das am besten in mehrfacher Hinsicht für Autofahrerinnen von Interesse ist.
  • Attraktiver Preis sowohl für die Autofahrer (oder das Mobilitätsunternehmen), als auch für die Betreiberin eines KWK.
  • «Bindung» der Autofahrer an das Unternehmen  / den Standort.
  • Ausreichende Stromerzeugung, um mindestens eine Ladestation praktisch kontinuierlich mit Strom zu versorgen.
  • Kurze Entfernung zwischen Turbinenraum und Ladestation (minimale Investitionskosten für die Verlegung eines Verbindungskabels).
  • Vertrag mit einem Mobilitätsunternehmen, das zumindest für die Rechnungsstellung, den Kundenkontakt und die Bewerbung der Ladestation
    zuständig ist.
  • Eindeutige Identifizierung der Ladestation auf den relevantesten Smartphone-Apps für Elektromobilität.
  • Wartung des kleinen Wasserkraftwerks in Zeiten geringer Nutzung der Ladestation.

Eventuell und je nach Wirtschaftlichkeit können auch Optionen in Betracht gezogen werden, um die Verfügbarkeit der Ladestation zu erhöhen, wie z. B. die Verwendung eines Stromspeichers vor Ort und / oder die Kopplung mit einer Solaranlage.

 

Aline Choulot, Mhylab
Hedi Feibel, Skat Consulting AG

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Weitere Infos:

Das von Skat und Mhylab durchgeführte Small-Hydro-Mobility-Projekt ermöglichte umfassendere Erkenntnisse sowohl in technologischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht, die nicht alle in diesem einführenden Artikel wiedergegeben werden konnten.

Wenn Ihr Kleinwasserkraftwerk die meisten der oben beschriebenen Kriterien erfüllt und Sie Interesse haben, dann können Sie sich mit weiteren Fragen wenden an: info@swissmallhydro.ch