Fachbeitrag

Gegendruckturbinen in Wasserleitungen

In Wasserleitungssystemen ist es oft nötig, den Druck für die angeschlossenen Verbraucher zu reduzieren. Andererseits muss für das Funktionieren des Systems ein gewisser Restdruck erhalten bleiben. Druckreduzierventile können zwar diese Aufgaben erfüllen, aber die abgebaute Druckenergie geht dabei unweigerlich verloren. Im Folgenden werden die technischen Möglichkeiten für energetisch optimale Lösungen erläutert.

Lösung mit Pelton-Turbinen

Bei Gegendruck-Pelton-Turbinen wird die Luft, in der sich das Laufrad dreht, unter Druck gehalten. Dies erfordert einen Luftkompressor, ein wasser- und luftdichtes Turbinen-Gehäuse und eine ständige Überwachung des Wasserstands in diesem Druckbehälter.

Auf europäischer Ebene profiliert sich das Schweizer Unternehmen Häny AG, Mitglied von Swiss Small Hydro, als einziger Anbieter dieser Art von Turbinen. Seine Produktpalette umfasst Leistungen von 10kW bis 1 MW bei einem maximalen Gegendruck von 20m Wassersäule.

Lösung mit Axial-Turbinen

Die Axialturbine und ihre Sonderform Kaplan-Turbine werden ebenfalls als Gegendruckturbinen verwendet, z. B. in Arezzo in Italien. Eigens für die Nutzung der Druckenergie entwickelte Aggregate sind DuoTurbo und LOCPOWER.

Kaplan-Turbine
Seit 2010 ist die Trinkwasseraufbereitungsanlage Poggio Cuculo in der Stadt Arezzo in Italien mit einer Kaplan-Turbine ausgestattet. Die 44-kW-Turbogruppe wurde als Ergänzung des Druckreduzierventils installiert und nutzt eine Bruttofallhöhe von 28 Metern, die durch den Unterschied der Wasserstände zwischen dem Becken am Einlauf der Druckleitung und dem Becken der Aufbereitungsanlage zustande kommt. Die horizontale Achse der Turbine befindet sich 3 Meter unterhalb des UW-Spiegels. Diese Anordnung bietet einen guten Schutz gegen Kavitation. Die Kaplan-Turbine mit 8 verstellbaren Laufschaufeln und festem Leitapparat ist drehzahlvariabel, um sich optimal an die Druckänderungen anzupassen.

Kraftwerk Poggio Cuculo: Grundriss der Gestaltung der Turbinierung vor der Trinkwasseraufbereitung in Arezzo (Italien); horizontalachsige Kaplan-Turbine, Qn = 380 l/s,
Hn (Qn) = 12.5 m, Pe = 44 kW).
Mhylab

Kraftwerk Poggio Cuculo: Kaplan-Gegendruckturbine im Trinkwassersystem von Arezzo, im Jahre 2010 in Betrieb
genommen, von oben gesehen.
Mhylab

LOCPOWER – Durchfluss-Druck-Regelung und Stromerzeugung in Einem

Die österreichische BRUNNBAUER-ARMATUREN GmbH und die italienische VALPRES haben zusammen eine ausgeklügelte Lösung zur Energiegewinnung entwickelt und in 22 Ländern patentieren lassen: LOCPOWER. Dieses System vereint die traditionelle Durchfluss- und Druckregelung in Rohrleitungen mit einer effizienten «Ernte» der sonst vernichteten hydraulischen Energie.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Regelventilen, bei welchen der Druckabfall durch ein- oder mehrstufige Stellelemente erreicht wird, verfügt LOCPOWER über eine doppelte Durchflussregelung: hydraulisch durch einen Stellantrieb und elektrisch durch eine ein- oder mehrstufige Axialturbine, die so konstruiert ist, dass sie perfekt ins Gehäuse des Ventils passt.

LOCPOWER wird mit einem hochmodernen synchronen Permanentmagnetgenerator im Leistungsbereich von
5kW bis 300kW angeboten. Ein angeschlossener aktiver Wechselrichter liefert die gewünschte Stromfrequenz; zudem minimiert die auf die Turbine wirkende Frequenzregelung die Netto-Druckschwankungen. Die erzeugte Elektrizität wird ins Stromnetz eingespeist oder für den Inselbetrieb verwendet. Die Locpower-Einheit kann bei Stromausfall mit einer integrierten unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) bis zu 24 Stunden für den Anfahrbetrieb autark starten.

Die elektrische Steuerkonsole sorgt für einen reibungslosen Betrieb. Ein fortschrittliches Diagnosesystem mit möglicher Fernüberwachung kontrolliert fortwährend die Wellendrehzahl und das Drehmoment, um jegliches anomale Verhalten zu verhindern. Durch akustische und schwingungstechnische Erfassungen werden unerwartete Änderungen der Prozessbedingungen erkannt, um Kavitation, frühzeitigen Verschleiss oder Leckagen zu vermeiden. Die Mehrzahl der Wartungsarbeiten kann vor Ort durchgeführt werden, ohne das Ventil aus der Rohrleitung auszubauen.

Lösung mit Francis-Turbinen

Die Francis-Turbine (Radialturbine) gehört wie die Kaplan-Turbine (Axialturbine) zu den so genannten Reaktionsturbinen, wo die Druckenergie v. a. innerhalb des Laufrades abgebaut wird.

In-Line
Das US-amerikanische Unternehmen Canyon Hydro hat eine Technologie auf der Grundlage einer Francis-Turbine entwickelt, die mit Inline-Flanschen oder «in-line flanges» neu ausgelegt wurde, um die direkte Integration in das Wassernetz zu erleichtern. Verstellbare Leitschaufeln ermöglichen es, sowohl den Durchfluss als auch den Druck zu regulieren und gleichzeitig den Betriebsbereich der Turbine hinsichtlich des Wirkungsgrades zu optimieren.

Canyon Hydro bietet fünf verschiedene In-Line-Turbinen für Rohrdurchmesser von 6 bis 24 Zoll (152 bis 610 mm) an. Der maximale Durchfluss liegt zwischen 0,9 und 1,6 m3/s bei einer maximalen Fallhöhe von
175 Metern. Die maximale Leistung liegt je nach Modell zwischen 100 und 2000 kW. Eine interessante Technologie, die aber noch nicht auf dem europäischen Markt erhältlich ist.

Bearstream
Das kanadische Unternehmen Bearstream bietet Gegendruck-Mikroturbinen an, die auf der Francis-Technologie beruhen. Die Mikrotubine wurde so konzipiert, dass sie in Rohrleitungen mit einem Durchmesser von 100 bis 200mm passt und in einem Druckbereich von 50 bis 100 psi (3,4 bis 6,9 bar) eingesetzt werden kann.

In-Line-Turbine im US-Budesstaat Colorado, P = 207 kW.
Canyon Hydro

Lösung mit Pump-Turbinen

Die Umkehrpumpe oder PAT («Pump as turbine») ist eine Technologie, die sehr häufig für die Turbinierung in Wassernetzen eingesetzt wird, da sie einfach zu handhaben ist. Ausserdem sind ihre Anschaffungskosten bei Leistungen unter 50kW recht attraktiv. Ein Beispiel: Ein Angebot, das im Juni 2023 von einem der zahlreichen Schweizer Anbieter erstellt wurde, entsprach der Anforderung von 6 bar Druckabbau mit einer einstufigen Spiralgehäusepumpe. Bei einer Fördermenge von 90l/s und einem turbinierbaren Nettogefälle von 67m wurde der Wellenwirkungsgrad an diesem Punkt mit 68% angegeben (was einer Leistung von 41kW entspricht). Der Preis von 30000 CHF war annehmbar für das Projekt zur Turbinierung von Trinkwasser und rechtfertigte eine detaillierte Studie, die insbesondere die Stetigkeit von Druck und Durchfluss im Wassernetz untersuchte.

Die grosse Schwäche der Pumpe ist ihre schlechte Anpassungsfähigkeit auf schwankenden Durchfluss. Am besten ist ein vorgeschalteter Pufferspeicher, der einen konstanten Abfluss gewährleistet, damit die Pumpe mit der optimalen Drehzahl betrieben werden kann. Gleichzeitig werden die EIN/AUS-Sequenzen begrenzt, welche die Absperrorgane verschleissen sowie Lärm und Vibrationen verursachen können, welche für die Anwohner unangenehm sind. Darüber hinaus muss die Umkehrpumpe neben einem Bypass zur Umleitung von Wasser bei Turbinenstillstand meist auch mit
einer Durchflussregelung, Revisionsventilen zur Wasserabschaltung und Sicherheitsvorrichtungen ausgestattet sein. Bei der Planung einer Umkehrpumpe sollten daher die Kosten für die Peripheriegeräte gegen die Betriebskosten, die Lebensdauer und die erzeugte Elektrizität abgewogen werden.

Gespannter Ausblick

Diese Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Zukunft wird zeigen, welche Maschinen sich auf dem Markt durchsetzen werden. Darum beabsichtigen wir, später noch einmal auf den Themenkreis der Gegendruck-Wasserturbinen zurückzukommen.

Verfasser:
Aline Choulot und Jürg Breitenstein für Swiss Small Hydro