Fachbeitrag

Das KW F. Blumer an der Linth und seine Kiesförderschnecke

Das Kraftwerk F. Blumer in Schwanden, Kanton Glarus, liegt am Gebirgsfluss Linth, der sich durch eine starke Geschiebeführung auszeichnet. Bei der Projektierung der Neuanlage im Jahre 1995 wurde dieser Aspekt im Hinblick auf einen wirtschaftlichen und störungsfreien Betrieb besonders berücksichtigt. Im Vordergrund stand die Beförderung des anfallenden Geschiebes ins Unterwasser des Stauwehrs. Die gewählte Kiesförderschnecke als Lösung kam im Kraftwerkbau erstmalig zur Anwendung und darf mit Fug und Recht als Pionieranlage bezeichnet werden. Sie hat sich in den 25 Betriebsjahren bestens bewährt und gewährleistet eine tadellose Geschiebekontinuität.

1. Die Entstehungsgeschichte

Die Wasserkraftnutzung der Linth kurz vor deren Vereinigung mit dem Sernf bei der ehemaligen Textilfabrik F. Blumer erfolgt seit 1806, anfänglich noch mit Wasserrädern. Die Anlage wurde 1827 durch Blumer und Jenny käuflich erworben, dies im Zusammenhang mit dem Bau einer Baumwolldruckerei und -färberei. 1909 wurde eine Francis-Schachtturbine mit vertikaler Welle eingebaut und 1939 ersetzt durch eine ebenfalls vertikalachsige Kaplanturbine der Firma Escher Wyss mit einer Leistung von 85 PS (62 kW) und 267 U/min. Über ein Getriebe wurde ein Generator der Firma BBC angetrieben.

Nach Einstellung der Textilproduktion im Jahre 1995 erwarb die Hydroelectra AG, Heerbrugg, das Wasserrecht und ein Grundstück für den Bau eines neuen Wasserkraftwerks. Das Konzessionsgesuch wurde im März 1995 vom Regierungsrat bewilligt. Baubeginn war im November 1997 und die Inbetriebnahme erfolgte schliesslich Anfang März 1999 [1]. Im Laufe der Zeit hat die Hydroelectra AG die Anlage aufgrund der Erfahrungen stetig verbessert, insbesondere bezüglich des Kiesspülsystems.

2. Die Gestaltung

Die Anlage ist als Ausleitkraftwerk gestaltet, bestehend aus dem Stauwehr, der links davon angeordneten Wasserfassung mit Grobrechen, der Triebwasserzuführung mit Absperrschütz, Kiesspülsystem und Rechenreinigungsanlage, der daran anschliessenden Zentrale (Titelbild) sowie dem Unterwasserkanal, welcher das Gebäude der Textilfabrik unterquert und nach dem Zusammenfluss von Linth und Sernf in die Linth mündet.

3. Die Stromerzeugung

Das Kraftwerk nutzt eine Bruttofallhöhe von 4.75 m, der Ausbaudurchfluss beträgt 21.5 m3/s und das Restwasser ist auf 977 l/s festgelegt.

Das Laufrad der vertikalachsigen Kaplanturbine hat 4 verstellbare Schaufeln und einen Durchmesser von 2 150 mm. Seine Drehzahl beträgt 166 ⅔ U/min. Die von Escher Wyss (heute ANDRITZ Hydro) in Ravensburg, Deutschland, hergestellte Maschine leistet 850 kW und produziert im Jahresmittel 3.76 GWh, davon entfallen etwa 70 % auf das Sommer- und 30 % auf das Winter- halbjahr.

Der Synchrongenerator (Bild 3) gibt eine Leistung von 1 200 kVA bei einer Spannung von 420 V ab. Herstellerin war die ehemalige Firma Bartholdi, Koblenz, Schweiz. Der erzeugte Strom wird auf 16 kV transformiert und ins Mittelspannungsnetz eingespeist.

Bild 2: Muster der Deckschicht des Linthgeschiebes.

Bild 3: Synchrongenerator 1 200 kVA.

4. Die Linth und ihre Eigenheiten

Die Linth ein Gebirgsfluss mit Wildbachcharakter führt beträchtliche Geschiebemengen. Bei Regenfällen kann der Abfluss in kurzer Zeit sehr stark ansteigen. Auf der 36 km langen Strecke vom Ursprungsgebiet in Tierfehd bis zur Mündung in den Walensee beim Gäsi nimmt die Linth das Wasser von 12 grösseren Seitenbächen auf. Beim Kraftwerk F. Blumer ist das Einzugsgebiet auf 201 km2 angewachsen; man rechnet dort mit einem 100-jährlichen Hochwasser von 345 m3/s.

Das natürliche Abflussregime der Linth wird durch den temporären Spitzenbetrieb der obenliegenden Kraft- werksgruppe Linth-Limmern (KLL) stark beeinflusst. Erhebliche Abflussschwankungen innert kürzester Zeit zeugen von deren Betriebsweise.

Die Geschiebefracht wird von verschiedenen Seitenbächen zugeführt. Dem Fluss wird aber auch Kies ent- nommen, so dass nur ein Teil in den Walensee gelangt. Beim Stauwehr des Kraftwerks Blumer ist mit einer mittleren jährlichen Geschiebefracht von über 10 000 m3 zu rechnen. Der Geschiebetrieb setzt ein, sobald der Linthabfluss den Schwellenwert von etwa 15 m3/s  erreicht. In Zeiten erhöhter Abflüsse  insbesondere bei Hochwasser  bedeutet dies eine erhebliche stünd- liche Geschiebezufuhr von zahlreichen Kubikmetern.

Das Linthgeschiebe ist unterschiedlichen geologischen Ursprungs. Vorwiegend handelt es sich um Kalkgestein. Vereinzelt sind im Gemisch auch die roten und härteren Verrucano-Steine enthalten (Bild 2).

Bild 4: Situation der Wasserkraftanlage mit Stauklappenwehr, Triebwasserbereich und Zentrale.

Bild 5: Längsprofil durch den Triebwasserweg im Oberwasser.

5. Das hydraulische Konzept

Die erwähnten Eigenheiten der Linth machen ein robustes hydraulisches Konzept der Wasserkraftanlage unabdingbar [3]. Diese besteht aus einer so genannten Staufassung mit einer 20.0 m breiten und 2.30 m hohen Stauklappe (Bild 4). Der Konzessionsstau liegt auf Pegel 522.94 m ü. M. Die Entnahme des Triebwassers (Bild 5) erfolgt am linken Ufer, geschützt von einem 26.15 m breiten und 2.50 m hohen Grobrechen mit 300 mm Stababstand. Die Stäbe bestehen aus einsteckbaren Stahlrohren mit D = 60 mm. Es folgt ein dreieckförmiges Vorbecken, welches das Triebwasser einem Absetzbecken mit Spülsystem zuführt. Dazwischen ist ein hydraulisch angetriebener Absperrschütz mit dem Format 7.00 m x 3.50 m angeordnet. Gegenüber steht der Feinrechen mit den Abmessungen 7.00 m x 6.00 m. Die Rechenstäbe sind im Abstand von 60 mm angeordnet, ihr Querschnitt beträgt 60 mm x 8 mm. Der 3:1 geneigte Rechen ist mit einer Reinigungsanlage versehen.

In der Flusssohle vor dem Grobrechen fängt eine 2.00 m breite Betonrinne parallel zu diesem einen erheblichen Teil des anfallendes Geschiebes auf und leitet es bei geöffnetem Absperrschütz (Bild 6), Format 3.5 m x 2.0 m, ins Unterwasser nach der Stauklappe. Damit wird dieses Geschiebe vom Triebwassersystem ferngehalten.

Eine ca. 38 m lange Fischtreppe am rechten Ufer, bestehend aus 10 Becken mit 20 cm Stufenhöhe, gewährleistet den Fischaufstieg (Bild 7).

Der 110 m lange Unterwasserkanal mit Rechteckprofil, Querschnitt 3.05 m x 5.0 m = 15.25 m2, wird bei der Wasserrückgabe je nach Wasserstand der Linth eingestaut.

Bild 6: Absperrschütz für Geschiebespülungen aus dem Oberwasser.

Bild 7: Fischtreppe am rechten Flussufer.

6. Das Kiesspülsystem und die Betriebserfahrungen

Dem nachstehend beschriebenen Anlagenteil soll ein besonderer Platz eingeräumt werden. Das optimale Kiesspülsystem wurde mit einer umfangreichen Analyse gesucht und gefunden. Für jede Wasserfassung sind verschiedene Bauarten und Betriebsmöglichkeiten denkbar. Eine behördliche Vorgabe verlangt, dass anfallendes Geschiebe fortlaufend dem Fluss zurückzugeben ist. Mehrere Möglichkeiten hinsichtlich der Geschiebebewirtschaftung wurden geprüft:

  • Kiesfang, Herausheben in Korb,
  • Herausnehmen mit Baggerschaufel oder ähnlichem,
  • Abschwemmen über den Unterwasserkanal,
  • Förderschnecke, welche die Ablagerungen aus dem
  • Triebwasserkanal über ein Spülrohr ins Unterwasser des Stauwehrs befördert und dazu die Druckdifferenz zwischen Oberwasser und Unterwasser des Wehrs nutzt.

Die zwei erstgenannten Möglichkeiten entsprechen nicht den behördlichen Vorgaben und sind nicht ausreichend effizient. Das Abschwemmen über den Unterwasserkanal als drittgenannte Möglichkeit birgt verschiedene Risiken: Verschleiss der Kanalsohle durch die beträchtlichen Mengen an grobem Geschiebe, Ablagerungen infolge geringer Sohlenneigung und ungenügender Transportfähigkeit der Strömung  beim Ausbaudurchfluss von 21.5 m3/s beträgt die Fliessgeschwindigkeit nur 21.5 m3/s : 15.25 m2 = 1.41 m/s. Im Vordergrund stand darum eine Lösung mit der Kiesförderschnecke (Archimedische Schraube) (Bild 8). Diese weist grosse Vorteile auf:

  • Die Spülungen erfordern keine Absenkung des Stauspiegels. Der Spülwasserbedarf ist minimal, wodurch die Stromerzeugung erhöht wird.
  • Ein Betriebsunterbruch des Kraftwerks ist nicht notwendig.
  • Die Schnecke erlaubt einen vollautomatischen Kraftwerksbetrieb mit sehr einfacher Überwachung und Steuerung.
  • Der Unterhalt an der sehr robusten Einrichtung ist gering.
  • Der Spülvorgang ist sehr effizient: Die Schnecke befördert das abgelagerte Material in Intervallen vor den Spülschütz und in der zweiten Phase öffnet sich dieser. Der intensive Spülstrom transportiert das Material durch das Spülrohr in das höher gelegene Unterwasser. Der Spülwasserbedarf ist sehr gering und der Spülvorgang dauert weniger als eine Minute.
  • Der Energiebedarf für die Kiesförderschnecke ist sehr gering.
  • Das angesammelte Geschiebe wird unmittelbar dem Fluss weitergegeben, wie es den behördlichen Vorgaben entspricht.
  • Befördert werden alle Komponenten des Geschiebes, bis kopfgrosse Steine, aber auch Geschwemmsel, etwa Holzprügel aus Lawinenniedergängen.
  • Der Planungsaufwand ist bescheiden.
  • Die Investition in die Kiesförderanlage, inkl. Anteil Massivbau, ist mit ca. 400 000 CHF klein im Vergleich zur Gesamtinvestition in das Kraftwerk von 5 600 000 CHF.

Die Geschieberäumung mit einer Archimedischen Schnecke wurde bisher im Kraftwerkbau noch kaum angewendet und darf deshalb als Pionierprojekt betrachtet werden. Bereits ist die Anlage mehr als zwei Jahrzehnte in Betrieb und hat sich äusserst gut bewährt. Im Laufe der Zeit wurden Kinderkrankheiten behoben und Verbesserungen angebracht, insbesondere wurde der Antrieb verstärkt und die Steuerung optimiert.

Nur ein Teil des anfallenden Geschiebes kann über die Stauklappe (Bild 8) oder durch den Spülkanal links der Wehröffnung ins Unterwasser befördert werden. Ein bedeutender Teil des kiesig-sandigen Materials gelangt durch den Grobrechen ins Vorbecken und weiter ins Absetzbecken. Es setzt sich dort ab, weil die Fliessgeschwindigkeit in diesem Bereich deutlich unter 1 m/s liegt.

Quer durch das rechteckige Absetzbecken, unterhalb des tiefsten Punktes der Sohle, verläuft eine Rinne (Bild 5). Ein zur U-Form gebogenes Stahlblech wurde in diese Rinne gelegt und auf der Innenseite mit Kunststoff-Platten ausgekleidet. In der Rinne liegt die 6.0 m lange Kiesförderschnecke mit 530 mm Durchmesser, auch als Förderspirale bezeichnet. Geometrisch betrachtet entspricht ihre Form einer Wendelfläche ohne feste Achse. Der Antrieb befindet sich in einem Schacht auf der linken Seite des Beckens. Die Drehzahl des 4-kW-Motors ist mit einem Frequenz-Umrichter regulierbar. Die höchste Drehzahl nach dem Getriebe

beträgt 3.7 U/min. Am rechten Ende der Rinne ist ein Kiesspülschütz angeordnet. Dahinter folgt ein 9.0 m langes Stahlrohr mit Durchmesser 800 mm, entsprechend ca. 0.5 m2 Querschnitt, mit ca. 25 % Gegensteigung. Es funktioniert als Spülkanal und mündet unterhalb der Stauklappe mit dem Kiesauslauf in die Linth (Bild 9 und 10).

Der Spülvorgang wird automatisch eingeleitet, sobald sich eine bestimmte Menge an Geschiebe in der Schnecke angesammelt hat. Das Startsignal geht von der Stromaufnahme des Antriebsmotors aus. Ohne Ablagerungen in der Schnecke beträgt die Stromstärke 3.8 Ampère; bei einem Strombedarf von 4,5 Ampère wird die Spülung ausgelöst. Erreicht der Wert 8 Ampère, entsprechend 4 kW Motorenleistung, wird die Anlage wegen Überlast abgestellt und ein Alarm ausgelöst.

Ist eine Spülung fällig, so wird der Kiesspülschütz angehoben und die Schnecke befördert durch ihre Drehbewegung das Material vor den Spülschütz an der rechten Wand. Die Kote 517.61 m ü. M. der Eintritts- schwelle in den Spülkanal liegt 2.99 m tiefer als die Kote 520.60 m ü. M. der Flusssohle. Hat die Schnecke das abgesetzte Material einmal bis ans Ende der Querrinne befördert, so gelangt dieses in den Sog der Spülströmung. Diese intensive Spülströmung, welche selbst kopfgrosse Steine mitreisst, kommt durch die hydraulische Fallhöhe von etwa 2 m zwischen Ober- wasser (522.94 m ü. M.) und Unterwasser zustande. Diese Fallhöhe h entspricht ungefähr der Strömungsgeschwindigkeit v = (2gh)1/2 = (2 x 9.81 x 2.0)1/2 = 6.3 m/s und wirkt als Staudruck kraftvoll auf die mitgerissenen Steine. Diese werden mühelos durch den ansteigenden Spülkanal hochtransportiert und der Linth zugeführt. Der Spülstrom erreicht je nach Unterwasserstand bis zu 3 m3/s.

Diese Spülmethode ist sehr effizient: Der Spülvorgang benötigt ganz wenig Wasser und Spülzeit. Eine Absenkung des Stauspiegels oder ein Betriebsunterbruch während der Spülungen sind nicht erforderlich.

Bild 8: Kiesförderschnecke während der Montage.

Bild 9: Querschnitt durch das Stauwehr mit Mündung des Spülrohrs ins Unterwasser am Fusse der Stauklappe.

Bild 10: Längsprofil durch das Spülsystem mit der Kiesförderschnecke.

Verfasser:

Peter von Rotz, dipl. Masch.-Ing. FH,
Projekt Anlage F. Blumer, peter.vonrotz@electracom.ch,
Niederstad 51, 6053 Alpnachstad

Andreas Huber, Dr. sc. techn. dipl. Bau-Ing. ETH,
Beratender Ingenieur, huber.andreas@ggaweb.ch,
Im Baumgarten 12, 8606 Greifensee